Mittwoch, 22. August 2007

Rituale (Mang Mang)

Ich habe jetzt ein Gespräch über das Leben in Bontoc mit Auntie Grace und Uncle Carlito angefangen. Das 1. Thema widmete ich dem Ritual.

Rituale nennt man hier Mang Mang. In Mountain Province existieren verschiedene Formen von Ritualen: Krankheits-, vor Toten-, Hausbrands-, Unfalls und Hochzeitsritual. Die Kirche probiert jetzt die Rituale in den katholischen Glauben zu inkultivieren.

Die Rituale führen meistens alte Frauen aus, die die Gnade besitzen, mit Seelen von verstorbenen Personen (Annitos) zu reden. Diese Frauen sind Auserwählte und man nennt sie Quack doctor. Vielleicht kann man die Quack doctors mit Quatämberkinder (siehe Walliser Sagen) vergleichen.

Die Quackdoktorinnen können Geister sehen und mit ihnen reden. Ich glaube, es ist etwas Ähnliches wie in unseren Walliser Sagen (Gratzug). In den Gratzugsgeschichten werden die armen Seelen mit einem Gebet erlöst und hier erlöst man die Annitos mit einem Ritual.

Das Krankheitsritual
Die Quackdoktorin besucht die kranke Person. Für das Ritual braucht man Reis, das noch nicht geschält ist, und eine kleine Schüssel mit Wasser. Die Quackdoktorin entfernt die Haut des Reiskorns und fragt die Annitos (verstorbene Seelen) nach dem Grund der Krankheit. Dann taucht sie das Reiskorn in das Wasser und lässt es los. Wenn das Korn aufsteht, bedeutet dies, dass die Annitos bejahen und wenn das Reiskorn liegen bleibt, ist es eine negative Antwort. Es gibt noch eine andere Variante mit Münzen. Die Quakdoktorin legt eine Münze auf den Tisch und stellt den Annitos eine Frage. Wenn die Münze aufsteht, antworten die Annitos mit "Ja" und wenn sie liegen bleibt, heisst dies "Nein".
Auntie Grace und Uncle Carlito wissen nicht, wie diese Vorgänge funktionieren, aber sie haben es schon einige Male gesehen.
Wenn man die Ursache der Krankheit kennt, fragt man die Annitos, wie man die Krankheit heilen kann und was man machen muss. Meistens schlachtet man, nach einer speziellen Art und mit einem Gebet, ein Schwein. Diejenigen, die das Schwein schlachten, erhalten die Beinen zum Essen und der Rest wird von einem "old man" an die Teilnehmern des Rituals verteilt. Alles, was auf dem Teller liegt, muss aufgegessen werden und nichts darf auf den Boden fallen, sonst verfehlt es die positive Wirkung des Rituals. Die Knochen werden nicht den Hunden gegeben, werden verbrannt. An einem fogenden Tag muss man gesalzenes Fleisch den Annitos an einen speziellen Ort bringen. Die Annitos erzählen der Quackdoktorin, an welchem Ort sie es haben wollen. Manchmal wünschen sich die Annitos auch ein kleines Haus an einem bestimmten Ort. In diesen Häusern legt man viel Kleiderstücke oder Fleisch hinein. Die Annitoshäuser stehen vielfach an dem Ort, wo die Person verstorben ist. Ist eine Person im Bach ertrunken, wird das Haus in der Nähe des Baches gebaut.
Bei uns stehen anstatt Annitoshäuser Kreuze an den Unglücksstellen.

Wahre Geschichten

Ein Bruder von Auntie Grace erzählte einmal seinen Eltern, dass seine Frau verrückt sei, sie erzähle total wirres Zeug, esse Bananenschalen, sie sollen einmal vorbeischauen. Die Eltern machten sich auf den Weg, als sie das Haus betraten, sahen sie, wie die Schwiegertochter auf einem Stuhl sass und auf den Boden urinierte und komische Geschichten erzählte. Sie brachten die Schwiegertochter ins Spital. Im Spital diagnostizierten sie eine psychische Krankheit und gaben ihr Medikamente, aber der Zustand verbesserte sich kaum. Die Mutter, der Schwiegertochter, arbeitete im Ausland und der Stiefvater wollte das Problem nicht annehmen. So fragten die Eltern von Grace, eine Quackdoktorin um Hilfe. Die alte Frau sprach dann mit den Annitos und erfuhr, dass die Seele eines verstorbenen Onkels der Schwiegertochter in ihren Körper eingedrungen sei und darum sei sie krank. Sie mussten die Asche des verstorbenen Onkels nach Bontoc bringen und ein Mang Mang durchführen. Das Mang Mang wurde dann mit dem Stiefvater und mit Kindern abgehalten. Sie mussten dabei die Asche wieder begraben. Die Kinder waren ziemlich laut und darum wirkte das Mang Mang nicht. Der Zustand der Schwiegertochter verschlechterte sich und die Augen kreuzten sich (sie schielte).
Sie führten später nochmals ein Ritual durch, aber diesmal ohne Kinder und es war andächtig still. Siehe da, es wirkte. Die Augen schauten wieder gerade aus und Schritt für Schritt verbesserte sich das Krankheitsbild. Man konnte mit ihr wieder normal reden. Ich habe sie in letzter Zeit selber gesehen und es geht ihr wieder gut.

Die Mutter von Auntie Grace, die den Fuss nicht mehr strecken kann, bat eine Quakdoktorin um ein Mang Mang. Eigentlich hätte ich an diesem Ritual auch teilnehmen können, aber unglücklicherweise weilte ich in Banaue.
Sie erzählten mir, dass die Quakdoktorin, während dem Zwiegespräch mit den Annitos, das T-Shirt von einem Bruder von Grace hielt und umherlief. Der Bruder versuchte die Hand vom T-Shirt zu befreifen, aber die Hand liess nicht los. So zog er mit Hilfe von Auntie Grace das T-Shirt aus. Sie mussten sogar eine Flasche wegen Bruchgefahr vor ihr in Sicherheit bringen. Während dem Gespräch mit den Annitos, sei die Quackdoktorin in einer Trance und befinde sich nicht auf dieser Welt. Als dieser Trance vorbei war, fragte die Quackdoktorin ganz erstaunt, warum sie ein T-Shirt in den Händen hält.

Hohes Fieber
Der jüngste Sohn (Gaynor) von Auntie Grace hatte im 1. Monat hohes Fieber. Sie besuchte mit Gaynor das Spital, aber das Fieber senkte sich nicht. Sie fragte eine Quackdoktorin, ob sie helfen könnte. Die Quackdoktorin sprach mit den Annitos und die erzählten ihr, dass ein verstorbener Cousin von Gaynor Schuld am Fieber sei. Der Cousin wurde anscheinend von einem Fahrzeug überfahren. Die Quakdoktorin vertrieb die Seele vom Cousin aus dem Körper von Gaynor und sein Fieber verschwand.

Unglücksindikatoren
Hunde heulten vor ein paar Jahren die ganze Nacht, dies sei kein gutes Omen. Während dieser Zeit reiste Uncle Carlito mit seinem Sohn Gaynor nach Baguio. Am nächsten Morgen sah Auntie Grace auch noch einen Vogel, der auch ein Indikator für ein Unglück sei. Sie befürchtete, dass bei Uncle Carlito und Gaynor etwas passiert sei und fing an zu beten. Kurz später erhielt sie Besuch von einer Schwägerin und sie überbrachte ihr eine traurige Nachricht, dass ihr Mann (Bruder von Grace) an einem Herzinfarkt gestorben ist.

Totenrituale
Nach der Beerdigung waschen sich die Männer die Trauer vom Leibe in einem Bach. Während diesem Prozedere spricht ein alter Mann ein Gebet. Danach fangen sie Fische, bringen sie zurück und die ganze Trauergemeinde verspeist die Fische.

In der Nacht, während eines Totenrituals, bleiben ein paar Angehörige wach und müssen beobachten, ob ein Nachtfalter oder ein Schmetterling ins Haus fliegen, ob eine Katze heult oder ob ein Vogel auf einem Baum pfeift. Am nächsten Morgen fragen die old folks darüber und je nach Beobachtungen, muss man ein Huhn schlachten oder Fleisch an einem bestimmten Ort bringen.

Vor ein paar Wochen starb eine 20-jährige Frau. Die Mutter durfte sich 2 Wochen nicht mehr waschen. Als die 2 Wochen vorbei waren, konnte sie so richtig die ganze Trauer vom Leibe wegspülen.

Madmad
Ich habe einmal geschrieben, dass ein Mann Brandy trank und einen Schluck in einen Bierdeckel leerte, um es mit den Annitos zu teilen. Diesen Vorgang nennt man Madmad, dabei spricht man ein Gebet zu den Annitos. Zum Beispiel sie sollen ihn vom Teufel fern halten oder Ähnliches. Madmad machen sie nicht nur mit Alkohol, sondern auch mit Softdrinks.

Dieses Thema interessiert mich sehr, irgendetwas ist schon ist schon wahr daran. Ich hoffe, dass ich die Möglichkeit noch erhalte, an einem Ritual teilzunehmen. Die Zeit dafür wird aber knapp.

Yesterday I made my first experience to eat dog meat. It tasted not so bad.

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